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Neid: "To do a magazine is one of our ways - to get what we want!" Ein Interview mit Ina Wudtke by Elke Zobl (1999) | ||
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INHALTLICHES
UND MOTIVATION Ina
Wudtke: Die Zeitschrift ist 1992 von Claudia Reinhardt, Heiko Wichmann, und
teilweise hat Hans-Christian Dany eine größere Rolle gespielt, und
mir gegründet worden, hauptsächlich von Claudia Reinhardt und mir. Wir
haben versucht, an der Hochschule war das damals, uns an einigen Zeitschriftenprojekten
zu beteiligen. Da gab es zum Beispiel das Magazin Dank, da war es uns klar geworden,
daß wir noch nicht mal auf so einem Fanzine-Level unsere Arbeiten unproblematisch
verbreiten können. Das heißt also, wir sind viel abgelehnt worden von
verschiedenen Magazinen und daraufhin haben wir einfach beschlossen, wir machen
unser eigenes Magazin, weil wir auch gemerkt haben, daß vor allem Frauen,
die künstlerische arbeiten, damals kaum öffentlich aufgetaucht sind.
(...) Und da auf der Kunsthochschule mindestens 60% Frauen waren, fanden wir das
Verhältnis nicht angemessen und wollten da mehr Kontakte zu anderen Künstlerinnen
aufbauen und das auch promoten nach außen. Das war mal so ein Beweggrund
unter anderen, mit dem Magazin Neid anzufangen. (...) Es hat uns einfach gestört,
daß es niemand für wichtig gehalten hat, stärker auch Identitätsmodelle
von Frauen einzugehen, oder die zu promoten und da weiterzuforschen. (...). Wie würden Sie ihre Zeitschrift bezeichnen (Magazin/Zeitschrift/Zine/Comic...)? Wie kommen Sie zu ihrer Definition? Was hat Sie dazu bewegt, sich so zu entscheiden? Ina Wudtke: Ich sage immer so: Kunstmagazin für ein Publikum von jüngeren Leuten, die an Popkultur interessiert sind. Weil Popkultur schon immer Musik, Vision und Wort mit eingeschlossen hat. (...) Ich hab das nie gemocht, wenn man uns Fanzine genannt hat, weil wir im Gegensatz z.B. zu den kopierten Heften von Anfang an, auch bei unserer ersten Nummer, darauf Wert gelegt haben, daß wir Farbe hatten, daß wir eine Form von Layout uns bewußt machen, daß die äußere Erscheinung, wenn sie auch nicht in einem klassischen Sinne professionell zu sehen ist, was uns wieder nicht interessiert hat, doch für uns sehr wichtig war. Wir sind nicht diese Künstler, die cheap-art oder copy-art gemacht hätten. Wir hätten am Liebsten alles in Farbe gehabt. Beim Layout war es immer so, daß wir uns dazu entschieden haben, daß jeder Beitrag von einer Künstlerin oder Künstler, seine eigene Form finden müßte. Es ist uns nicht gelungen weg von der Illustration zu kommen, was wir eigentlich wollten. Unser Ideal war, daß Grafiker und Fotograf und Textschreiber wirklich gleichberechtigte Kunstwerke (beitragen), das geht natürlich aus Zeit und Geldgründen nicht immer, aber auf jeden Fall ist das so unser Wunsch von der Herangehensweise. (...) Ich finde nämlich auch DIY ist nicht für alles die beste Möglichkeit. Claudias Fotos z.B. sind einfach ein eigenständiger Inhalt in diesem Heft, das ist nicht eine Illustration von einem Artikel, das ist eine eigene Arbeit. (...) Ich glaube unsere Stärke liegt auch eher im Bild. Aber wir bemühen uns das zusammenzurücken, gleichberechtigt.
Neid backcover der dritten Ausgabe: mit Serge, Pit, Dubi Dub, Susanne, Heiko, Daniel, Hans-Chriatian, Ina, Annette, Sebastian, Lars, Piti, Claudia, Kathy, Eric, Alexandra (shot by Quirin Leppert) (http://www.thing.de/neid/intro.htm)
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Wie ist es zu dem Titel gekommen? Wofür steht der Titel? Ina Wudtke: Claudia Reinhardt und ich, und auch teilweise Heiko Wichmann hatten zusammen ein Seminar an der Hochschule besucht bei Länger, der über Lacan und französische Sprachphilosphie referiert hat und da haben wir die Freudkritik und eben auch Freud gelesen. Und da ging es unter anderem um den Penisneid und wir fanden, daß es eigentlich sehr lächerlich war, was Freud geschrieben hat und haben uns eigentlich gewundert, was für einen wahnsinnigen Stellenwert dieser Mann hat. Wenn man den dann so liest, ist es unglaublich wie da auch über Frauen geschrieben wird und daß das dann Wissenschaft sein soll. Dann dachten wir einfach, das muß man sich zurückholen. Die Zeitschrift Neid ist eine Art pay-back, eine Wiedergutmachung von Freud. Aus welchen Gründen geben Sie die Zeitschrift heraus? Mit welchem Ziel? Ina Wudtke: Das hat sich in den sieben Jahren, wo ich die Zeitung mit anderen Leuten mache, natürlich auch verändert. Am Anfang war das auch aus einer Freundschaft mit Claudia Reinhardt und Heiko Wichmann, es war einfach eine gute Art, sich auszutauschen. (...) Zuerst ging es darum, nur sich selbst auszudrücken, dann hat man gemerkt, man kann tatsächlich damit eine Öffentlichkeit erreichen. Heutzutage ist es eine Mischung aus mehreren Sachen, einerseits ist das Medium für mich eines geworden, in dem ich mich auskenne, was ich dann auch verbessern will (...) Manchmal sind es Leute, die ich kennenlerne, deren Arbeit ich total toll finde, wo ich dann Lust habe, die Leute kennenzulernen, und dadurch Kontakt aufnehme und auch irgendwie ein Stück von deren Arbeit bekomme oder ihnen meine gebe, so ein persönlicher Austausch ist, der jetzt was anderes ist, als wenn ich das Magazin nur lese. Dann ist es auch, glaub ich schon, eine Promotion für die eigenen Arbeit, weil wenn man nur in anderer Leute Ausstellung teilnimmt, dann ist immer der Daumendruck vom Kurator oder der Kuratorin so stark drauf (...). Also wenn ich ein Foto mache, das ich an die Wand hänge ist es ja was anderes als wenn ich es in die Zeitung tue. Zumindest kann ich bei der Zeitung kontrollieren wie ich es mache, auch wenn ich es auch vielleicht nicht so gut mache. Das ist wichtig für mein Selbstwertgefühl, daß ich die Rezeption meiner Arbeit kontrollieren kann. (...) Kontext ist für mich ein wichtiges Wort. (...) Daß es für mich fast 50% genauso wichtig ist, wie präsentiere ich oder in welchem Kontext ist meine Arbeit wie die Arbeit. Weil ich das so oft erlebt habe, daß es etwas völlig anderes wird, wenn es woanders steht. Wie setzt sich der Inhalt zusammen? Setzten Sie einen Schwerpunkt? Ina Wudtke: Das ist ganz unterschiedlich, die ersten Ausgaben haben wir richtig so, ja was ist reingekommen, dann haben wir noch dazu selber Sachen gemacht, Sachen abgelehnt oder nicht. Jetzt ist es so, daß wir so 30% der Leute kennen, die immer etwas schicken, wenn ich, oder Claudia, ein Rundschreiben mache, so, es liegt wieder was an. Wir hatten es immer ganz gut gefunden, daß jeder das macht was ihm oder ihr im Moment am Wichtigsten ist. Weil wir eigentlich so eine Intensität von einer Beschäftigung für wichtig halten. Und dann verselbständigt sich das oft. Bei dem Heft (Anm. Nr. 7., E. Z.) haben wir eine regelmäßigere Redaktionssitzung von den Leuten, die in Berlin sind, gemacht, das was der kleinste Teil des Heftes ist. Der größte Teil sitzt in Hamburg. Sonst gibt es viele internationale Leute. Da haben wir teilweise an Texten auch gearbeitet und die umgeschrieben und dann verselbständigt sich das wirklich so, durch das was reinkommt. (...) Manchmal gebe ich das, was ich reinbekommen habe, schriftlich in einer Form von Briefen an die anderen weiter. Die, die als erste Beiträge einschicken, geben somit eine Themenliste vor. Größtenteils hat das Heft bisher davon gelebt, daß Claudia Reinhardt, ich, meine Schwester, Heiko, Erik Schmidt und ein paar andere Leute sich persönlich getroffen haben.(...) Oder mich interessiert ein Thema, und ich versuche dann Leute anzusprechen, wo ich gehört habe, daß die was machen, das mache ich öfter. (...) Ist immer ganz lustig, weil eigentlich kann jeder uns etwas schicken. Wir dachten immer, das wäre klar, aber viele Leute trauen sich dann nicht, was ich immer schade finde. (...) Ich merke aber, daß es schon immer schon wichtig ist als Herausgeberin nochmal nachzuhacken und ein bißchen Druck zu machen, auch wenn es doof ist. Irgendwo hab ich gemerkt geht's ohne das nicht, sonst wird's nie fertig. Hintenrum ist man dann natürlich auch ein Stück Diktator, aber dazu steh ich dann auch. Ich versuche das so zusammenzuhalten, das hat positive Seiten, hat manchmal negative, oder hat auf jeden Fall auch negative Seiten. Ich glaube es ist ein Geschenk, wenn man das zu dritt oder zu viert machen kann oder in einem größeren Kreis.
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Sie arbeiten als alleinige Herausgeberin ihrer Publikation. Was hat diese Entscheidung motiviert? Ina
Wudtke: Bei uns war es nur leider so, daß ich gesagt habe, der Fakt
ist, daß der Druck und die Finanzierung immer an mir hängen bleibt.
Es kann sein, daß ich daran selbst schuld bin, aber dann sag ich jetzt auch
einfach daß ich es herausgebe. Weil andererseits würde ich mich dann
auch nicht mehr wohl fühlen. Dann immer wir sind ein Kollektiv und so. Obwohl
ich auch das nicht so richtig wichtig finde. Ich finde schon das wichtigste, daß
man zusammen sich austauscht oder arbeitet, oder so eine Diskussion über
den Inhalt, das finde ich dann schon wichtiger. Ok, wer das Geld ranschafft, das
ist eben die nervige Sache an so einem Projekt. Hauptsache, es kommt halt zustande.
Wer das dann macht...Ich glaube nicht, daß man alles zusammen machen muß.
Obwohl das wäre ein schöner Traum, so im Kollektiv. Ja, das ist schon
ein Traum, für mich persönlich ist es gescheitert, ein bißchen.
Ich hab da so rumgefragt, es gibt wohl Leute, die noch dran glauben. Vielleicht
muß man immer wieder mal dran glauben. (...) Es ist immer ganz gut, was
ich gemerkt habe, wenn man nicht so hohe Ansprüche hat und wenn man sich
auch nicht gleich in so kleinen, persönlichen Zickigkeiten verliert. Es ist
immer toll, wenn man etwas lockerer sein kann. Aber ich meine, gerade wenn man
befreundet ist oder so, nicht immer realistisch. Ich finde Gruppenarbeit, darüber
hab ich auch in dieser Broschüre geschrieben, das wird oft unterschätzt.
Gruppenarbeit ist absolut zeitraubend, super anstrengend, es gibt persönliche
Auseinandersetzungen. Ich glaube, die sind sehr wichtig, aber die gehen absolut
an die Grenze des Hinnehmbaren. Also daran sind bei uns auch schon Freundschaften
zerbrochen und neue entstanden. Aber da wird, glaube ich, in der Öffentlichkeit
sonst zu locker darüber geredet. Ich finde das absolut wahnsinnig. Ich glaube,
es ist doch oft einfacher, alleine eine Sache durchzuziehen. Gruppenarbeit, wer
das schafft, sag ich immer Respekt. |
HEFT #1
HEFT
#3
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Ina
Wudtke: Früher waren das Gleichaltrige, die uns nahestanden, im Unterschied
zu dem, was wir damals in Galerien gesehen haben. Das lief in Hamburg sehr weit
auseinander. In den Galerien waren die zahlungskräftigen Kunstkäufer
von 45 aufwärts, die dann auch umgarnt wurden von den Galeristen und Kunst
war eher Nebensache. Im Moment ist das gerade so hip, daß sich das so auflöst
mit Popkultur vermischt, und auch Parties stattfinden und so. Da ist das Problem
eigentlich aus der Welt. Trotzdem fällt das, worum es z.B. bei Parties oder
bei Musik machen als Künstler geht, würde ich sagen, oft ziemlich munter
den Tisch. Es wird kaum tiefer darüber geredet. Das macht sich Neid schon
zur Aufgabe, da Artikel drin zu haben. Z.B. dieser Artikel über deutsche
Poetry oder weibliche Perversionen, das soll nichts hippes sein, da sagen viele
Leute vielleicht, das ist ja langweilig. Oder Prostitution, legalisieren oder
so, ach, das hab ich ja schon tausendmal gehört, oder so, uns hat es halt
im Moment interessiert und dann gab es da einen Zusammenhang von mehreren Artikeln
und dann hängen wir uns halt rein und forschen da nach. Meistens hat das
dann auch größeres Interesse nach sich gezogen. Ich denke, man kann
jedes Thema interessant machen, wenn es nur ein paar Perspektiven dazu gibt. (...) Welche Auflage/Druckform hat die Zeitschrift und wie wird sie vertreiben? Ina Wudtke: Wir haben mit 300 angefangen, dann waren 500 oder 600, dann waren es 1000. Jetzt sind es das erste Mal 1600. Vertrieb haben wir am Anfang so, daß jeder, der mitgemacht hat, hat ein paar Hefte verkauft. Mittlerweile hab ich so ein bißchen einen Vertreib aufgebaut. So Kontakte zu Kunstbuchhandlungen und bestimmten interessierten Plattenläden aufgenommen. Das eben so verschickt. Da muß sich jeder, der so ein Magazin rausgibt, sich überlegen, wo er am besten reinpaßt. Also Blau z.B. verkauft sich gut in Frauenbuchläden, was wir eigentlich auch mal dachten, was vielleicht möglich wäre, da sind wir auf Granit gebissen. Die waren total schockiert über das Heft, also da laufen wir z.B. überhaupt nicht. Das muß man erfahrungsgemäß rausfinden. Das ist ziemlich blöd, das ist das Schwierigste an der ganzen Sache für mich, weil wir alles verschicken und das Porto halt oft teurer ist als die Heft, die man schickt. Jeder professionelle Vertrieb will 70% des Heftpreises und unser Heftpreis ist eigentlich 99% Produktionskosten, weil die so hoch sind bei so einer niedrigen Auflage und wir verdienen daran keinen Pfennig. Dann müßte das Heft statt 15 Mark 40 kosten und dann würde sich das Heft überhaupt nicht mehr verkaufen, das ist halt das Problem von ganz vielen unabhängigen Produktionen, auch kleine Verlagen und so. Und das nervt schon ziemlich, und eigentlich ist man ja Künstler oder interessiert an einem Thema und endet dann irgendwann als Anzeigenaquisiteur und Vertriebsleiterin und das nervt dann schon ziemlich, sodaß man sich fragt, ist es das wert. Sind Sie für die Redaktion allein verantwortlich oder arbeiten Sie mit anderen zusammen? Wenn sie mit anderen zusammenarbeiten, geschieht das arbeitsteilig oder arbeitet jede/r für einen bestimmten Artikel? Ina
Wudtke: Das haben wir uns zur Regel gemacht, daß im Inhaltsverzeichnis
immer jeder Name (genannt wird) - das ist das einzige Honorar, das wir bieten
können - eben Nennung des Namens, deswegen ist es klar, jemand der ein Layout
macht, oder ein Foto oder einen Text steht da drin. Es läuft wirklich sehr
unterschiedlich, daß es total von der Situation abhängt. Bei der Nummer
sieben war es so, daß meine Schwester gerade eine Ausbildung als Grafikerin
machte. (...) Am Anfang hatten wir es einmal so gemacht, daß jeder seinen
Artikel verantwortlich selbst layoutet. Das ist dann als wir in Druck gegangen
sind und weg von der Kopie ein bißchen schwierig geworden, weil dadurch
so viele Mehrkosten entstehen, wenn man das belichten läßt. Wenn man
es als digitale Daten abgibt ist es billiger und deswegen haben wir es versucht
das möglichst auf einem Programm zu machen. Wer macht die Gestaltung? Ina Wudtke: Die Gestaltung macht immer jemand anderer. Es ergibt sich jeweils. Es sind auch Leute, die öfter was machen: Felix Velasco aus Hamburg. Vor zwei Jahren hatte Christina Sebinger ziemlich viel gemacht, Ellen Nonnenmacher hat dieses neue Format (gemacht). Wir fanden das neue Format praktischer vom Heftformat her zu lesen und fanden es auch schön weg von den Papiernormen zu kommen.
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Welche Infrastruktur steht Ihnen zur Verfügung (Büro/zu Hause...)? Ina Wudtke: Wir haben kein Büro, ich habe auch kein Atelier, ich mache alles zu Hause. Ich habe auch keinen Computer, also nur einen ganz kleinen. Alles läuft bei mir zusammen, so als Knotenpunkt. Es hat sich so ergeben, weil Claudia Reinhardt ein Jahr in L.A. war und das war so der Wendepunkt. Die Nummer drei, war die letzte, die wir wirklich zusammen gemacht haben. Danach hat sich das ein bißchen geändert durch diesen Ortswechsel. Heiko Wichmann macht jetzt diese Webpages eigenhändig, die auch ein breites Archiv haben über die ganzen Aktionen, die wir gemacht haben.
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Ina
Wudtke: Durch Anzeigenaquise, was hauptsächlich über persönliche
Kontakte läuft und über Kulturfonds, also verschiedene kulturelle Förderungen.
Da hatten wir Glück bisher. Jedes Jahr ein neues Problem...weiß man
vorher auch nicht so genau. Wir finanzieren uns auf keinen Fall über den
Verkauf, weil eben viele Hefte geklaut werden oder total beschädigt zurückkommen
oder die meisten Hefte an die Mitarbeiter gehen. Jeder, der was macht, bekommt
ein bestimmtes Freikontingent an Heften. (...). Ina Wudtke: Also abgrenzen tu ich mich insofern eigentlich nur so (vom Feminismus) z.B das Cover von der letzten Ausgabe, das hab ich oft so promotet, ja der glamouröse Comeback des Schwanz-Ab- Feminismus ist wieder da. Das zeigt hat schon so, halt damals, Alice Schwarzer, was unsere Mütter vielleicht so erlebt haben, ist schon aus heutiger Sicht ziemlich albern. Mich hat so ein biologischer Feminismus nie wirklich interessiert, also "ich bin Frau und deswegen habe ich die oder die Veranlagung". Das finde ich eher diskriminierend, wenn die Natur mit ins Spiel kommt. Mich hat eher ein soziologisch-gesellschaftlicher Ansatz interessiert (...) Und das fand ich immer viel interessanter. Judith Butler natürlich und für mich auch auf jeden Fall Donna Haraway mit dem Cyborg-Manifest, weil da geht's wirklich um Macht, Akademie, was ist Objektivität. (...) ...deswegen halt weg von der Biologie auf jeden Fall und hin auf die Gesellschaft. (...) Das fand ich z.B. super interessant, daß man sagt, wenn Judith Butler z.B. sagt, ja ich lebe mit Frauen zusammen, und da gibt es eine Rollenverteilung, die vielleicht genauso angreifbar ist, wie die Rollenverteilung zwischen biologischen Unterschieden. Und dann hab ich das begriffen, du kannst dich eben auch als Frau total reaktionär verhalten. (...) Ich hab da irgendwann aufgehört mich damit zu beschäftigen - im Gegensatz zu Claudia Reinhardt. Sie hat sich ziemlich viel mit Sexualität auseinandergesetzt, als zentraler Punkt vom Feminismus und da eben mit Psychoanalyse und jetzt mit E. Kaplan. (...) Es gab ja mal in den 70ern viele Frauen, die gesagt haben, das private Leben wäre politisch. Ich glaube, so sehe ich das ein bißchen, weil so für die große Politik habe ich aufgehört mich nachher wirklich zu interessieren. Ich mach das eher im Kleinen. In dem Bereich, wo ich das Gefühl habe, auch wirklich was zumachen. Ob es jetzt wirklich politisch ist, bin ich mir nicht immer so sicher. Ich glaube letztendlich dann nicht. (...)
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Bewegen Sie sich in einer Zine-Gemeinschaft? Verorten Sie sich in der Subkultur? Ina
Wudtke: Ich sehe es eher als künstlerische Arbeit in der Gesellschaft.
Und Fanzine kommt ja ursprünglich von dem Begriff, Fan einer Band zu sein.
Darum geht es mir überhaupt nicht. Ich glaube bei uns gibt es nicht so wie
damals - ich hab bei so Hip Hop Fanzines mitgearbeitet früher - und da gibt
es ja wirklich eine Sache, wie folk music, was alle Leute, ohne daß sie
sich kennen, verbindet. Und ich glaube das fehlt ein bißchen bei Neid.(...)
Mittlerweile ist es schon ziemlich hip auch gerade im Kunstkontext, ein bißchen
Ulf Porscherdt, ein bißchen DJ-Philosophie, ein bißchen schwarze Frauen,
bißchen Lesben, bißchen Mode, bißchen so, zwar alles nicht so
richtig, aber alles so ein bißchen von allem so. Es kann schon sein, daß
wir da bald nicht mehr mithalten können. Ok, das ist dann so eine Sache von
außen betrachtet. Für mich ist es nicht nur so eine Selbstbefriedigung.
Wenn ich merken würde, (...) daß die Hefte sich überhaupt nicht
mehr verkaufen und man gar kein feed back mehr kriegt, wäre es mir nicht
genug das einfach nur zu machen, dann würde ich sagen, jetzt reicht es. Also,
es ist schon für mich wichtig, so ein feed back.
| HEFT
#6
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Welche Rolle spielt für Sie das Internet? Verändert diese Art von Publikation ihre Publikationspraxis? Ina Wudtke: Es ist immer wichtiger geworden. Am Anfang habe ich es z.B. nicht so begriffen, der Heiko hat sich schon sehr früh damit auseinandergesetzt und Donna Haraway hatte ja schon in die Richtung Cyberfeminsimus...das war mehr in den 80ern, ich hab es ja erst 1990 gelesen, da auch auf englisch, das war mir schon so fremd. Und Heiko war unsere Hardcore-Feministin, hat uns immer mit den neuesten Sachen versorgt und so, ja jetzt begreife ich schon wie wichtig das ist. Ich habe mit dem Avatar angefangen in dem Bereich zu arbeiten, als da mit dieser Figur und finde es wirklich eine Möglichkeit, ohne diesen hohen Produktionskosten z.B. ein Magazin zu publizieren oder z.B. Mitteilungen anstatt Flyer oder zusätzlich zu verschicken. Ich denke das Medium ist einfach wichtiger geworden, als es vor fünf Jahren noch war (...) Ich will da auch weiterarbeiten, Heiko ist gerade dabei mir was beizubringen, weil wir eventuell das nächstes Heft als CD-ROM rausgeben wollen, wenn wir es hinkriegen. Wir sind uns noch nicht ganz sicher, wir haben versucht uns für einem Fond zu bewerben für die Presskosten. Mit Anzeigen funktioniert das wohl nicht so, wenn das finanzierungsmäßig hinhaut, dann wollen wir das machen.
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| Wenn Sie sich als Künstlerin verstehen, welchen Kunstbegriff vertreten Sie? Warum verortet sich die Zeitschrift im Kunstkontext? Was ist Ihnen wichtig? Ina Wudtke: Die Identities...(...) Es ist die Auseinandersetzung mit Identität im weitesten Sinne, dann eine Selbstpromotion von der eigenen Arbeit in einem Kontext, den ich selber kontrollieren kann und auch der Zugang zu einem Publikum, wo ich glaube, daß es mein Publikum ist. Im Gegensatz jetzt..., also wenn ich im Kunstverein Hamburg was mache, dann kommen da bestimmte Leute und die sehe ich und ich finde die auch wichtig und interessant, aber es sind nicht unbedingt meine Freunde. Und ich habe immer gedacht, wenn ich was mache, müßten meine Freunde, also das ist immer so eine Mission von mir, vielleicht auch ein bißchen lästig, aber ich will dann schon, daß meine Freunde wissen was ich mache und daß die auch Spaß dran haben. (...) Mir ist es immer wichtig, daß man an verschiedenen Orten auftreten kann in dem entsprechenden Medium. | |
Wudtke,
Ina (Hg.): Neid. Hamburg/Berlin, 1993-98, #1-#7. Images
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